Bestiarium
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Wie stark ist der Bär?
Der Walfisch wie schwer?
Wie frech ist der Spatz?
Wie zärtlich die Katz?
Wie stolz ist der Pfau?
Und der Fuchs wie schlau?
Wie viel Mensch ist das Tier?
Und wie viel Tier sind wir?
Wie arm ist das Schwein?
Das Mäuschen wie klein?
Wie munter die Forelle?
Wie graziös die Gazelle?
Wie scharf sieht der Luchs?
Und wie schlau ist der Fuchs?
Wie viel Mensch ist das Tier?
Und wie viel Tier sind wir?
Wie gemein ist der Hund?
Der Buntspecht wie bunt?
Wie mutig der Leu?
Das Rehlein wie scheu?
Wie weiß ist der Hai?
Der Adler wie frei?
Wie verseucht ist das Rind?
Der Gepard wie geschwind?
Der Affe wie närrisch?
Der Esel wie störrisch?
Wie blind ist das Huhn?
Und die Ratte wie immun? …
Wie fromm ist das Lamm?
Wie natürlich der Schwamm?
Wie gebannt das Kaninchen?
Wie fleißig das Bienchen?
Wie gefährlich sind Hornissen?
Und Füchse wie gerissen?
Wie viel Mensch ist das Tier?
Und wie viel Tier sind wir?
© 1996 Werner Bönzli, Reichertshausen
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Zweifel des Bären
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Einen Moment lang hab' ich wirklich gedacht,
du hättest das alles mit Absicht gemacht.
Meinen Gang ins Verderben hättest du schlau geplant.
Ich dachte noch, wär' ich klüger, dann hätt' ich's vorher geahnt.
So 'ne linke Tour hab' ich dir tatsächlich zugetraut.
Ich war noch stolz, weil ich dachte, ich
hab' den Fuchs durchschaut.
Heute schäm' ich mich darüber,
Ich glaube, ich hab' dir Unrecht getan.
Sicher war es nur ein Zufall.
Vielleicht bin ich auch selber schuld daran.
Dieser Lust auf das süße Leben
hab' ich hemmungslos nachgegeben,
da musst' es ja einmal so kommen, wie es dann kam …
Jedermann hält dich für tückisch und schlau,
aber eigentlich weiß man das nicht so genau.
„In dubio pro reo", das ist billig und recht.
Solang man dir nichts beweisen kann, bist du nicht wirklich schlecht.
„Wo gehobelt wird, fliegen Späne" sagt man und „Viel Feind, viel Ehr".
Und doch wär's mir lieber, wenn ich dir
nie begegnet wär.
Ich kenne keine Vorurteile.
Äußerlichkeiten interessier'n mich nicht.
Rasse, Farbe, Herkunft oder Glaube –
vorausgesetzt, ich mag ein Gesicht.
Also werd' ich den Verdacht begraben,
du könntest mich überlistet haben –
und hoffe, du kommst für was anderes
bald vor Gericht …
© 1996 Werner Bönzli, Reichertshausen
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Litanei des Katers
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Eines Tages wirst du nicht mehr prahlen.
Eines Tages wirst du noch bezahlen
für deinen Spott, für meine Qualen.
Das wird der Tag …
Eines Tages werde ich dich kriegen,
werd gegen dich kämpfen und dich besiegen.
Du wirst vor mir am Boden liegen.
Das wird der Tag …
Eines Tages werde ich mich rächen.
Einmal werden deine Jahre dich schwächen.
Dann will ich dir alle Knochen brechen.
Das wird der Tag …
Eines Tages werde ich noch lachen.
Dann sammeln wir uns, die Kleinen und Schwachen,
und werden aus dir einen Krüppel machen.
Das wird der Tag …
Eines Tages wirst du noch klagen.
Eines Tages gehts dir an den Kragen.
Aus deinem Bau werden wir dich tragen.
Das wird der Tag …
Eines Tages werd ich triumphieren.
Eines Tages wirst du alles verlieren.
Dann sitz ich warm und du wirst erfrieren.
Das wird der Tag …
© 1996 Werner Bönzli, Reichertshausen
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Der Chor der Tiere
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Unser König, der ist weise,
gütig, redlich und gerecht,
nur leider auf einem Auge blind,
und mit dem andern sieht er schlecht.
Sein Gehör ist nicht das beste,
Sein Gedächtnis ist ein Sieb.
Doch wir wolln uns nicht beklagen.
Seinen König hat man lieb.
Höret seine Worte
achtet seinen Spruch.
Unser Kummer wiegt gering,
unser König ist der King.
Wenn das Unrecht überhandnimmt,
sitzt der König zu Gericht.
Alle klagen und verstummen,
wenn er dann sein Urteil spricht.
Höret seine Worte …
Unser Feind ist nicht gefangen,
quält uns weiter, ganz nach Lust.
Lügen haben kurze Beine,
spitze Schnauze, weiße Brust.
Wartet nicht auf bessere Zeiten,
wenn der König sie verspricht.
Nur, was für den König gut ist,
das geschieht was anderes nicht.
Höret seine Worte …
© 1996 Werner Bönzli, Reichertshausen
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Systemkritik
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Die, die unten sind, sind bescheiden,
die, die oben sind, gemein.
Wenn die, die unten sind, oben wärn,
dann liefe alles von ganz allein.
Dann wären alle ganz zufrieden,
dann gäbs keinen Neid und keinen Krach;
dann hätten alle alles, was man braucht,
ein warmes Süppchen, ein sicheres Dach.
Gleiches Recht für alle!
Gleiches Glück für alle!
Den gleichen Mann, die gleiche Frau,
das gleiche Kind für alle!
Macht die Unterschiede nieder klont die Brüder!
Unterschiede waren gestern klont die Schwestern!
Macht lauter gleiche gute Leute klont die ganze
Meute!
Die, die unten sind, sind richtig,
nehmen Rücksicht, verbessern die Welt.
Doch die, die oben sind, tun sich wichtig
mit viel gut gewaschnem Geld.
Lasst die, die unten sind, nach oben
an die Hebel der Macht,
dann wird sich alles, alles, alles ändern
Dann gibts Gerechtigkeit über Nacht!
Gleiches Recht für alle
Die, die unten sind, sind moralisch,
die, die oben sind, korrupt.
Wenn die, die oben sind, unten wärn,
dann ging die Erde nicht länger kaputt.
Die da oben würden unten besser!
Die da unten blieben oben gut!!
Und schon gings wie ein Ruck durch die ganze Welt
und alle hätten wieder neuen Mut.
Gleiches Recht für alle
© 1996 Werner Bönzli, Reichertshausen
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sum namteflih dnudna mein tedachs!
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O Mensch, der du jetzt mit halbem Ohr
diese Radiosendung vernimmst,
wisse, daß du in diesem Moment
über dein weiteres Leben bestimmst.
Nimm dein Los und dein Telefon fest in die Hand
und wähle die folgende Nummer.
Bei uns im Studio sitzt Madame de la Rue
mit der Lösung für Schmerzen und Kummer.
Nenn von deiner Empfängnis den Ort und die Art
und von deiner Geburt die Sekunde.
Schon zeigt ihr ein Blick in ihr Astrolab
jeden Winkel von dir, jede Wunde.
Null eins neun null vier sieben eins eins,
nur ein Euro für achtzehn Sekunden.
Tus unbedingt, ich weiß, es gelingt,
du wirst an Körper und Seele gesunden.
So heilen wir alle, so helfen wir gern;
sicher wird man das freundlich vermerken.
Schadet niemand, und hilft,
man muss die Gläubigen stärken
in Gedanken, Worten und Werken.
O Mensch, der du einen Fernseher hast
und der Verspannung und Unwohlsein spürt!
Zu dieser Stunde in diesen Kanal
hat dich ein günstiges Schicksal geführt.
Leg deine Hand einfach auf das Gehäus
und atme bewusst und entspannt
Stell die Pupillen auf Unendlich
minimiere deinen Verstand
Schau mir tief in den Bildschirm, ergib dich gelöst
in meine sanfte Gewalt.
Meine Aura schwebt schon durch den Äther,
und genau über dir macht sie Halt.
Spüre den Sog, erfahre den Schub!
Du musst mir nur inniglich glauben.
Schon bist du am Ziel, schon wirst du stabil
Diese Kraft kann dir keiner mehr rauben.
So heilen wir alle, so helfen wir gern;
sicher wird man das freundlich vermerken.
Schadet niemand, und hilft,
man muss die Gläubigen stärken
in Gedanken, Worten und Werken.
© 1996 Werner Bönzli, Reichertshausen
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